Samstag, 19. September 2015

Tage 7-9

04. - 06.09.2015
Auf dem Boot, Santarém - Belém
Auf ins Abenteuer!
Es ist jetzt Freitag morgen, 10 Uhr. Jeder bringt seine eigene Hängematte mit aufs Boot, die man dort selbst befestigen kann. Auf dem Markt gibt es Varianten in allen erdenklichen Farben und Arten, mit und ohne Schnörkel. Unsere Hängematten sollen einigermaßen kompakt sein, damit wir sie später im Rucksack untergebracht kriegen. Wer hat schon eine Hängematte, mit der man über den Amazonas geschippert ist.
Nachdem wir die Ticketstände abgeklappert haben und uns der "Präsident" höchst persönlich noch einen Rabatt gewährte, geht es auf's Boot. Knapp unter 30 €, etwa 800 km Fahrt, Ankunft in Belém Sonntagmorgen. Das Boot erstreckt sich über drei Etagen, alles voller Hängematten. Das Bild ist einfach fantastisch! Es ist bunt, wir werden gemustert. Aber wo sollen wir hier noch einen Platz finden? In der mittleren Etage werden wir fündig - zwar nicht alle beisammen, aber immerhin paarweise finden wir einen Platz. Als wir versuchen, die Hängematten mit den Tauen zu befestigen, paart sich die Neugier der Einheimischen gleich mit Hilfsbereitschaft, die wir gern annehmen. Jetzt wird erstmal das Boot erkundet. Oben gibt es neben Hängematten noch ein paar Kabinen, in denen sich alte Pauschalreiseholländer niedergelassen haben. Wie befürchtet, sind unsere deutschen "Freunde", die wir in Alter do Chão kennenlernten, auch mit an Bord. Gott sei Dank weit genug weg - die brauchen wir wirklich nicht mehr. Weiter hinten gibt es eine große Terrasse, auf der schon in voller Lautstärke Forró ertönt, brasilianische Volksmusik. Die Menschen lieben es. Am Ende der Terrasse stehen ein paar "Stangen". Erst dachten wir, es könnten Duschen sein, aber es gab keinerlei Hebel oder Knopf. Muss also was anderes sein. Die untere Etage bietet neben Platz für Hängematten auch noch Fläche für Waren. Die Boote werden sowohl für den Personen- als auch Warenverkehr genutzt. Wir beobachten, wie die letzten Kisten Bananen und sonstiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse eingeladen werden, bevor der Motor startet. Und los geht's! Nach einer halben Stunde kommt die deutlich sichtbare Grenze Tapajos/Amazonas immer näher, bis wir sie gänzlich überschreiten. Jetzt sind wir so richtig wahrhaftig auf dem Amazonas :) Jetzt haben wir zwei Tage und zwei Nächte Zeit, um nicht wirklich viel zu tun. Außer gucken, essen, trinken, sprechen, genießen. Wir schnappen uns Stühle und setzen uns unter die erwähnten Stangen auf der Terrasse und genießen erstmal den Fahrtwind und die Sonne und lassen bei einer Cola erstmal einmal alles auf uns einwirken. Einfach faszinierend und entspannend! Bis zu dem Moment... als sich die Stangen tatsächlich als Duschen heraus stellen. Und als was für welche! Wtf?! Wie kann das sein? :D Unter sichtlich belustigten Blicken springen wir mit nun erfrischten Häuptern nach vorn und lachen über uns selbst. Beim wiederholten Betrachten der Fläche sehen wir ein verblasstes Schild mit den Betriebszeiten der Duschen, die das Wasser aus dem Amazonas für ein paar Stunden am Tag nach oben pumpt. Witzig.
In den nächsten zwei Tagen erfahren wir viele neugierige Blicke und Menschen, die sich für uns interessieren. Woher wir kommen und ob Deutschland vor oder hinten den USA liegt. Wie es bei uns aussieht. Die meisten verbinden mit Deutschland "sete a um", das legendäre 7:1-Halbfinale zwischen Brasilien und Deutschland, das natürlich jeder kennt. Die Offenheit und Herzlichkeit der Menschen ist unbeschreiblich. Eine große Familie neben uns teilt sich eine Schüssel Acai-Mousse und fordert uns auf, mit zu essen. Als eine Mama neben uns ihr Baby füttert, hält sie auch Jaqueline den Löffel hin. Und als ich im Speiseraum meine Plastikgabel zerbrach, dauerte es keine Sekunde, da hatte ich die Gabel eines Mitreisenden auf dem Teller liegen - er aß mit dem Löffel weiter. Was wir uns erhofften - nämlich die Menschen abseits des Tourismus und großer Städte kennen zu lernen, ging vollkommen in Erfüllung und wir sind hin und weg. Bei den Einheimischen schauten wir uns ab, wie man gut in der Hängematte schläft. Am besten schräg, so nimmt man die Spannung raus und krümmt sich nicht so. Geht echt klar! Die zweite Nacht war etwas windiger und entsprechend wellig, sodass die eng aneinander hängenden Matten alle mit den Nachbarn aneinander bollerten. Erholsam war die Nacht dann weniger, aber das nimmt man gern hin.
Das Ufer war mal weiter weg, mal nur ein paar Meter entfernt. Im Streckenverlauf gibt es unzählige Zuflüsse, Abflüsse, Abzweigungen, Kreuzungen. Das Delta ist einfach gigantisch. Zwischendurch hängen sich Dorfbewohner mit ihren kleinen Booten an das Unsere, um an Bord Snacks zu verkaufen. Nüsse, Obst, Shrimps. Andere sind es gewohnt, übrig gebliebenes Essen vom Boot dankbar entgegen zu nehmen, das die Passagiere hinunter werfen. Ja, der Amazonas. Eine absolut andere Welt. Am Sonntag im Morgengrauen erreichen wir Belém.



Bei der Reiseplanung waren wir nicht immer sicher, ob wir diese Bootsfahrt wirklich machen sollen. Einige Beitrage von Reisenden waren echt abschreckend. Kenternde Boote, Krankheiten, die man sich einholt, Diebstahl und sowieso und überhaupt alles doof. Natürlich waren die sanitären Anlagen nicht gerade einladend, aber das war auch nicht anders zu erwarten. Wenn man mit Offenheit an die Sache rangeht und die Skepsis über Bord wirft, kann es ein wunderbares Erlebnis werden. Wir sind echt froh, es gemacht zu haben!






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